17.12.2012
Kategorie: Markt, Reiseverkehr
Von: Martin Wendlandt

Bliss Point : Sättigungspunkt

Hierbei handelt es sich in der Ökonomie um den Punkt, an dem der Nutzen nicht mehr optimiert werden kann, er sich dem Idealzustand annähert.


Gibt sich ein Busreiseunternehmen viel Mühe, die Erwartungen seiner Fahrgäste zu übertreffen, werden dessen Bemühungen nicht automatisch von den Fahrgästen honoriert. (Foto: vsurkov/Fotolia)

Gibt sich ein Busreiseunternehmen viel Mühe, die Erwartungen seiner Fahrgäste zu übertreffen, werden dessen Bemühungen nicht automatisch von den Fahrgästen honoriert. (Foto: vsurkov/Fotolia)


Es ist das aus Kundensicht ideale, wünschenswerte Angebot erreicht, mit dem ein Kunde völlig glücklich ist und sein Wohlbefinden sich durch weiteren Konsum nicht mehr steigern lässt. Kann man diesen theoretischen Ansatz auf die Bustouristik übertragen?

Der Autor dieses Artikels hat gelegentlich den Eindruck, dass mancher Busunternehmer und auch Busreiseveranstalter mit seinem Bemühen, die Erwartungen des Kunden zu übertreffen, des Guten zu viel tut, weil dessen Sättigungspunkt bereits erreicht ist.

Man denke nur an den Einsatz von Super-Luxus-Bussen im Mietbusgeschäft. Der Kunde erwartet den Luxus nicht nur nicht, er honoriert diesen nicht, auch nicht durch Treue, indem er beim nächsten Auftrag den Preis außer acht lässt und auf einen Sitzabstand von mindestens 80 cm besteht. Er wäre auch mit einem 3- oder 4-Sternebus zufrieden gewesen. Er nimmt noch mehr Komfort oder Luxus gerne mit, sein Wohlbefinden lässt sich aber nicht steigern, nicht nur, weil er diesen Luxus nicht erkennt, sondern weil es durch den Fahrstil des Fahrers, die Qualität des Abendessens oder die Stimmung in der Gruppe überlagert wird.

Spinnen wir diese Gedanken weiter in Richtung Busreiseveranstaltung. Hier finden sich sehr unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Erwartungen zu einer Reisegruppe zusammen. Die Erwartungen der Reiseteilnehmer werden unter anderem durch die Informationen vor und während der Reise beeinflusst. Wer eine Luxusreise zu relativ hohem Reisepreis anbietet, hat es mit anderen Erwartungen zu tun als bei einem Städtetrip in ein modernes, zentral gelegenes Stadthotel und viel Zeit zur freien Verfügung.

Jede Reise besteht aus verschiedenen Bausteinen: Fahrt, Übernachtungen, Essen, Besichtigungen, Vorführungen und Animationen. Jeder einzelne Baustein hat Einfluss auf das Wohlbefinden des Kunden. Wie kann es da gelingen, dem Bliss Point, dem Sättigungspunkt aller Reiseteilnehmer nahe zu kommen? Kann es überhaupt ein Ziel sein, die Erwartungen des Kunden immer in allen Punkten zu übertreffen? Wer eine sehr gut organisierte Reise mit XY-Reisen erlebt hat, und in seinen Erwartungen übertroffen wurde, kann derjenige bei der nächsten Reise noch mal in seinen Erwartungen übertroffen werden?  Reicht es nicht aus, die Erwartungen nur zu erfüllen? Kurzfristig ja – langfristig nein; denn nachweisbar hat nur der Veranstalter, dem es gelingt, Erwartungen zu übertreffen, wirklich gebundene Kunden, die ihn auch weiterempfehlen.

Erwartungen zu übertreffen ist aber oft eine Frage des Geldes und damit auch der Kalkulation der Reise.
Erwartungen werden aber zum Teil erst geweckt. Das, was in der Reisebeschreibung angeboten wird, muss in jedem Fall erbracht werden. Es soll sogar etwas mehr geboten werden, wie der nicht angekündigte Piccolo bei Reisebeginn, denn dies bindet Kunden und macht sie zu »Aposteln«, die den Veranstalter weiterempfehlen. Der schon sehr zufriedene Kunde kann aber nicht ständig noch zufriedener gemacht werden, schon gar nicht, wenn er Mehrleistungen nicht erkennen kann, wenn diese für ihn keinen »Wert« haben und wenn er eigentlich schon »satt ist«.

Busreiseveranstalter wissen häufig nicht, bei welchen Reiseleistungen die Kunden tatsächlich zufriedener gemacht werden können und wo eine Leistungsverbesserung keinerlei zusätzliche Zufriedenheit erzeugt.
Das kann man nur mit systematischer, professioneller Befragung der Kunden herausfinden. Mehr Leistungen zu erbringen als angeboten und kalkuliert, ist nicht immer sinnvoll und wirtschaftlich. Kunden, die sich wohlfühlen, weil ihre Erwartungen bereits perfekt erfüllt werden, können sich nicht noch wohler fühlen als wohl.

Unser Rat:
Überprüfen Sie, ob alle Leistungen in der Kalkulation berücksichtigt werden. Prüfen Sie auch, ob alle Leistungen zueinander passen, z.B. muss eine Dreisternefahrt nicht im Fünfsternehotel übernachten. Dann werden nämlich die Erwartungen des Kunden in einer Nacht vielleicht übertroffen, in den Folgenächten aber nicht – Folge: Der einmal entstandene »gute Eindruck« wird im nächsten Moment wieder getrübt.