28.05.2013
Kategorie: Markt, Linienverkehr
Von: Martin Wendlandt

Fernbuslinien nüchtern betrachtet

Mancher spricht von Goldrausch und übertreibt damit etwas. Aber, man hat in Gesprächen mit Busunternehmern schon den Eindruck, dass diese Chancen sehen wollen und die Risiken ausblenden. So war es damals am Klondike auch. Am Gold sind allerdings nur ganz wenige reich geworden.


So sollen sie aussehen, die Fernbusse von Post/ADAC, die am 1. November starten sollen. (Grafik: Scania)

So sollen sie aussehen, die Fernbusse von Post/ADAC, die am 1. November starten sollen. (Grafik: Scania)


Es gibt, zumindest bei nüchterner Betrachtung, für Busunternehmer mehr Risiken als Chancen. Wie die Zuständigkeiten im Fernbusliniengeschäft aussehen können, zeigt die nachfolgende Aufstellung.

Zuständig in %

Kapitaleinsatz

Personal

Prozesse

Markt

Veranstalter

5

5

95

100

Busunternehmer

95

95

5

 


Die Busunternehmer schaffen die Fahrzeuge an und stellen das Fahrpersonal. Die Veranstalter investieren in Software und Organisation und sind für den Vertrieb zuständig. Kapital- und Personaleinsatz sind im Vergleich zu dem der Busunternehmer eher gering.

Die Prozesse werden vom Veranstalter bestimmt. Der Busunternehmer muss diese ausführen. Für die Erschließung des Marktes ist der Veranstalter zuständig. Er muss dafür sorgen, dass genügend Fahrgäste in die Busse einsteigen und hält den Kundenkontakt. Neukundengewinnung ist seine wichtigste Aufgabe. Aus Neukunden werden nur dann Stammkunden, wenn die Qualität der Leistungserstellung den Erwartungen entspricht.

Geschäfte mit hohem Kapital- und Personaleinsatz sind mit großen Risiken behaftet. Diese bestehen vor allem darin, dass die Einnahmen nicht so fließen wie erwartet. 70 bis 80 Prozent der Kosten sind im Liniengeschäft zeitabhängig, mehr oder weniger fix. Bei den meisten uns bekannten Fernbuslinien-Modellen trägt der Busunternehmer aber weitgehend das Einnahmerisiko, ist abhängig von der Fahrgastzahl.

Nüchterne Berechnungen zeigen, dass Fernbuslinien sich für Busunternehmer nur mit hohen Fahrgastzahlen rechnen. Kapitalkosten, Personalkosten und auch die variablen Kosten sind so enorm hoch wie die veranschlagten Jahreskilometerleistungen.

Allein die Kosten lassen sich für ein Jahr berechnen, die Einnahmen nicht. Deshalb raten wir, nur Verträge zu unterschreiben, die dem Busunternehmer eine mehrjährige Beschäftigungsgarantie, z. B. über die Konzessionslaufzeit, in verabredetem Leistungsumfang geben. Andererseits muss der Busunternehmer aber eine relativ kurzfristige Kündigungsmöglichkeit haben, wenn sich die Einnahmen nicht wie geplant entwickeln.

Die Goldschürfer am Klondike sind verhungert oder erfroren. So schlimm wird es für Busunternehmer sicher nicht. Allerdings halten wir es für wahrscheinlicher, dass nur wenige das große Geld verdienen werden. In Geschäften mit niedrigen Verkaufserlösen kann man nur hohe Erträge erwirtschaften, wenn sich viele Käufer finden. Wer im Wettbewerb neben Bahn und ADAC/Post bestehen wird, weiß allerdings keiner.