10.10.2016
Kategorie: Personal, Top-News
Von: Martin Wendlandt

Streik auf gelben Schein

Massenweise brachten Crew-Mitglieder von Tui Fly Krankmeldungen. Weil die Gewerkschaften sich noch in der sogenannten Friedenspflicht befanden, durfte nicht gestreikt werden.


Symbolfoto: pix4U / Fotolia.com

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Wegen der großen Zahl der Krankmeldungen sprachen Arbeitsrechtler von »wildem Streik«. Klar, die Gewerkschaften hatten nichts damit zu tun und konnten auch nichts dafür. TUI Fly hatte zwar die eigenen Maschinen am Boden, zweifelte jedoch offiziell nicht an den Krankmeldungen der Crew-Mitglieder. In vielen Fluggesellschaften soll es üblich sein, dass gelbe Scheine erst ab dem vierten Tag vorgelegt werden müssen. Bis dahin müssen Ärzte ihren Kunden auch keine Gefälligkeitsbescheinigungen ausfüllen. Dass es Ärzte gibt, die sowas machen, ist hinlänglich bekannt.

Im Übrigen ist die Dauer der Krankschreibung vom Wochentag abhängig. Wer montags zum Arzt geht, hat gute Chancen, bis zum Wochenende krankgeschrieben zu werden. Wer dienstags den Arzt aufsucht, ist üblicherweise nur vier Tage krank. Wer mittwochs geht, ist nur drei Tage krank.

Es ist ohnehin verwunderlich, wie unterschiedlich krank Mitarbeiter in Verkehrsbetrieben sind. In privaten Unternehmen beträgt der Krankenstand durchschnittlich ca. 3%. In öffentlichen Verkehrsunternehmen ist dieser weit höher, oft sogar zweistellig. Eine Studie der Krankenkassen behauptet, dass es einen engen Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit der Mitarbeiter und deren Erkrankung gibt. Sind die Mitarbeiter mit ihrer Arbeit zufrieden, sind sie weniger krank. Unzufriedene Mitarbeiter hingegen erkranken öfter und brauchen auch länger, um wieder gesund zu werden.

Wie kann das in öffentlichen Verkehrsunternehmen verstanden werden? Es gibt kein öffentliches Unternehmen, in dem die Gewerkschaft nur einen geringen Einfluss hat. Wirkt sich denn dieser Einfluss nicht positiv auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter aus? Kann es sein, dass sich Arbeitnehmer im Schutze des Betriebsrates sicherer fühlen und deshalb schon leichtes Unwohlsein als Grund sehen, sich krank zu melden? Private Unternehmer müssen sich bei jedem einzelnen Arbeitnehmer fragen, ob dessen Konstitution gut genug ist, um den anspruchsvollen Beruf, zum Beispiel des Busfahrers, auszuüben.

Ein weiteres Argument kann die Verbundenheit mit dem Unternehmer und dem Unternehmen sein. Wer weiß, wie sehr er fehlen würde, dass Kollegen oder der Chef selbst mehr und länger arbeiten müssen, um Lücken zu schließen, bleibt nicht schon bei leichtem Schnupfen zu Hause. Sind hingegen genügend Personalreserven vorhanden, nimmt es keiner persönlich, dass man fehlt – na, dann kann man alles etwas lockerer nehmen.

Nun mag man einen höheren Krankenstand als gegeben hinnehmen. Es könnte durchaus sein, dass in kommunalen Unternehmen das Durchschnittsalter der Fahrer höher liegt als in privaten Unternehmen. Dazu finden wir keine Statistik. Allerdings hören wir von Unternehmern, dass ältere Fahrer weniger erkranken als jüngere: »Wenn die alten Fahrer krank sind, sind sie ernsthaft krank und fallen länger aus!« Dann fallen diese – nach dem Lohnfortzahlungszeitraum – aus der Statistik heraus.

Ein höherer Krankenstand wirkt sich gravierend auf den Personalkostensatz pro Stunde aus. Nimmt man für eine Kalkulation alternativ 7 oder 21 Kranktage, steigt der Stundensatz um ca. 7%!

So gesehen könnte man meinen, dass die privaten Unternehmer die gesünderen Fahrer beschäftigen, die darüber hinaus bei gleichem Lohn weniger pro Stunde kosten.